Jungen-Lesen-Newsletter Juni 2014 erschienen

OECD bestätigt Vernachlässigung von Jungenleseförderung durch die Politik

Es gäbe keine relevanten geschlechterspezifischen Lesekompetenzunterschiede, meinte Frau Icken, die Leiterin der Referats „Gleichstellungspolitik für Männer“, auf unsere Nachfrage be-züglich der Umsetzung des Bundestagsbeschlusses zur Jungenleseförderung.

Der Leiter des OECD-Büros in Berlin, Heino von Mayer, bestätigte uns darauf nach Anfrage mit Schreiben vom 14. Februar 2014 nochmals, dass es entgegen der Ausführungen von Frau Icken durchaus erhebliche geschlechterspezifische Lesekompetenzunterschiede gäbe. Die OECD führt die PISA-Studien durch, mit denen alle drei Jahre die Schulleistungen der Schüler in den OECD-Ländern verglichen werden.

Weiterhin legte Herr von Mayer dar:

Ich kann Ihnen ferner versichern, dass unsere Bildungsexperten auch in Interviews betont haben, dass das Geschlechtergefälle bei den Leseleistungen der Jungen genauso problema-tisch ist, wie bei den Mathematikkenntnissen der Mädchen. Falls das von Vertretern der Bun-desregierung nicht anerkannt wird, ist das traurig, hätte aber mit den Ergebnissen der PISA-Studie und deren Kommunikation nichts zu tun.

 

Bildungserfolg

Gastbeitrag von Michael Klonovsky

Michael Klonovsky ist Journalist und Autor. Er erhielt den „Wächterpreis der Tagespresse“ für die „Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen durch die DDR-Justiz und den Staatssicherheitsdienst“. Seit 1992 ist er Redakteur, später als Chef vom Dienst bzw. Textchef, Leiter des Debattenressorts, und inzwischen Autor beim „Focus“. Herr Klonovsky ist verheiratet und hat vier Kinder. In seinem Blog schrieb er einen Beitrag über Jugendbuchliteratur und Bildungserfolg.

Einer der Söhne liest die Schatzinsel. Egon Bahr brachte seinen Spross noch zur Lektüre mit dem Angebot, jedes Buch, welches er lese, dürfe er behalten. Unsereiner muss mit der Offerte daherkommen, wenn das Buch gelesen ist, gibt es das Nintendo zurück. Außerdem kann sich der Bub 1000,- Euro verdienen, wenn er mir einleuchtend begründet, warum ihm Stevensons Meisterwerk nicht gefällt.

Meisterwerk? Aber ja. Ich halte Treasure Island für das beste (mir bekannte) Jugendbuch, noch vor Kiplings Dschungelbuch, das auch ein Solitär und bedeutende Literatur ist. Ein untrügliches Zeichen für große Schriftstellerei liegt ja dann vor, wenn es einem Autor gelingt, Gestalten zu schaffen, die sich wie Archetypen ins kollektive kulturelle Gedächtnis prägen. Das ist, sicherheitshalber sei es angemerkt, keineswegs dasselbe wie der Umstand, dass die halbe Welt eine literarische Figur kennt, speziell heute, wo das Kino und die Massenmedien für die Verbreitung von allem und jedem sorgen. Nichts gegen Harry Potter, Voldemort und Snape, aber neben Jim Hawkins, Israel Hands und vor allem John Silver sind das Pappkameraden, von der literarischen Sprache gar nicht zu reden (wenn ich meinen Jungs zeitgenössische Autoren vorlese, bin ich dauernd am Korrigieren).

Meine Lieblingsstelle der Schatzinsel ist John Silvers Rückkehr zu Kapitän Smollett. Nachdem er die Meuterei organisiert, das Schiff in seinen Besitz gebracht, mehr als ein Dutzend Mannschaftsangehörige auf dem Gewissen und am Ende wieder die Fronten gewechselt hat, tritt der einbeinige Pirat und Schiffskoch vor seinen von den Meuterern verwundeten Dienstherren, der, als er ihn erblickt, verblüfft fragt:

„Is that you, John Silver? What brings you here, man?“

„Come back to my dooty, sir,“ returned Silver.

„Ah!“ said the captain; and that was all he said.

Das „Melde mich wieder zum Dienst zurück“ ist schon komisch genug, aber dieses „Ah!“ führt uns in die Regionen der Hochkomik und des literarischen Genies, wobei sich in diesem Ausruf auch die tiefste Menschenkenntnis offenbart.

Beitrag erschien zuerst auf: michael-klonovsky.de
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Michael Klonovsky

 

Jungenleseliste auch in der Karibik!

Nachdem das Goethe-Institut in Riga schon Beiträge von uns veröffentlich hat, werden nun auch ins Spanische übersetzte Beiträge vom Goethe-Institut in Mexiko für die derzeit im Aufbau befindlichen Internetplattform zum Thema Leseförderung in der Region Mexiko-Zentralamerika-Karibik genutzt. Es handelt sich vorerst um das Interview mit Dr. Anne Scheller aus einem unserer früheren Newsletter „Jungen dort abholen, wo sie stehen“ und unser Beitrag „Wie motiviert man Jungen zum Lesen?”. Den letztgenannten Beitrag können Sie auf unserer Homepage in Spanisch herunterladen. Vielleicht auch mal was für den Spanisch-Unterricht, oder?

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