Schule in Schaittach verlegt Unterricht in den Wald

Jungenleseförderprojekte mit Prof Tischner

2015 haben wir von einem Jungenleseförderprojekt des Jungenbüros Nürnberg in Kooperation mit Herrn Professor Dr. Tischner und der Reutersbrunnenschule Nürnberg berichtet. Nun konnte Prof. Tischner bei einem neuen Projekt mitarbeiten und zwar am schulischen Förderzentrum mit Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung des Caritas-Jugendhilfezentrums Schnaittach.

Hier möchten wir eine verkürzte Wiedergabe des Berichtes von Prof. Tischner mit freundl. Genehmigung des Autors wiedergeben:

Jungenleseförderprojekt in Schnaittach

Dem Schultag am 18.11. hatten zehn Dritt- und Viertklässler des schulischen Förderzentrums mit Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung des Caritas-Jugendhilfezentrums Schnaittach schon seit Wochen entgegengefiebert. Der Unterricht fand an diesem „bundesweiten Vorlesetag“ nicht wie gewohnt im Klassenzimmer, sondern tief im Wald statt, wo die Schüler reichlich Gelegenheit hatten, sich an frischer Luft zu bewegen. Revierförster Elmar Schmidtmeyer und sein Neuhauser Kollege Helmut Lay hatten für die Schüler ein fesselndes Programm vorbereitet, das sich um das Thema Wald drehte. Mit Akkubohrern und Zimmermannshämmern bewaffnet baute eine Gruppe gemeinsam mit den Förstern einen Hochsitz zusammen, von welchem aus man die Welt nach getaner Arbeit aus einer erhöhten Perspektive betrachten konnte, während eine zweite Gruppe unter Zuhilfenahme von Hacke und Spaten den Waldboden mit Edelkastaniensetzlingen bepflanzte. (…)

Dann versammelte Förster Schmidtmeyer die Schüler in der gemütlichen Forsthütte und las ihnen aus dem Buch „Die Falle des schwarzen Ritters“ vor. Der Würzburger Arena-Verlag hatte nicht nur dieses Buch gesponsert, in dem es um Abenteuer im Wald geht, sondern darüber hinaus auch eine Kiste mit 50 ausgewählt jungengerechten Buchtiteln, die im Anschluss an den Vorlesetag, zwecks Sicherung ausreichender Nachhaltigkeit, in der Schule zum Stöbern und Ausleihen einladen sollten. Nachdem die Schüler dem vorlesenden Förster gebannt gelauscht hatten und jeder von ihnen zudem ein persönliches Buchgeschenk vom Verlag bekommen hatte, weihte sie der Erziehungswissenschaftler Wolfgang Tischner von der Technischen Hochschule Nürnberg und Initiator des Jungenleseförderprojekts, in den Gebrauch der inzwischen drei vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) leihweise bereitgestellten Bücherkisten ein, die allesamt Bücher enthalten, welche die Lesevorlieben und –interessen von Jungen gezielt ansprechen.

Jungenleseförderung

Das gilt ganz besonders für solche Literaturgenres wie Abenteuer, Fantasy, Detektiv- und Agentengeschichten, Gruselgeschichten und Science Fiction. Der Protagonist einer Geschichte sollte – so will es der Lesegeschmack der meisten Jungen – auf jeden Fall stark sein und über Heldenqualitäten verfügen. Aber auch Geschichten von Antihelden, die allen Widernissen zum Trotz ihren chaotischen Alltag zu guter Letzt stets souverän meistern, finden ihre Anhänger. (…)

Männliche Lesevorbilder sind rar. Lesen wird von Jungen häufig als typisch weiblich empfunden. (…) Die Kölner Erziehungs- und Literaturwissenschaftlerin Christine Garbe, die an der Universität der Domstadt das Jungenleseportal boys & books betreibt, spricht deshalb nicht zu Unrecht von einer „Feminisierung der Lesekultur“. (…) Die im Auftrag der KMK erstellte und am 28.10.16 der Öffentlichkeit vorgestellte Studie „IQB-Bildungstrend 2015. Sprachliche Kompetenzen am Ende der 9. Jahrgangsstufe im zweiten Ländervergleich“ erbrachte für den Freistaat Bayern das Ergebnis, dass sich im Zeitraum 2009 – 2015 die durchschnittliche Kompetenz der Jungen im Bereich Lesen statistisch signifikant (die Mittelwertsdifferenz ΔM liegt, bei einem Standardfehler SE von 7,3, bei -15) weiter verschlechtert hatte, während die der Mädchen auf vergleichsweise hohem Niveau unverändert geblieben war. Dieser sich alarmierend vergrößernde Rückstand gegenüber ihren Mitschülerinnen hat für die Knaben deshalb umso fatalere Folgen, als die Fähigkeit, Texte flüssig und sinnentnehmend zu lesen, eine Schlüsselkompetenz für den gesamten Schul- wie auch späteren Berufserfolg darstellt. (…)

Erfolgreiches Projekt

Dieser Aktionstag, der ein Jahr zuvor in ähnlicher Form, allerdings noch nicht als Outdoor Event, an der Schwabacher Helmschule mit einem über die Goldschlägerstadt hinaus renommierten Bildhauer sowie zwei Jahre zuvor an der Nürnberger Reutersbrunnenschule mit einem hochgraduierten Karate-Meister als Vorleser durchgeführt worden war, ist Teil eines über mehrere Jahre laufenden jungenpädagogischen Entwicklungsprojekts. Geplant, organisiert und durchgeführt wird das Projekt gemeinsam von der Leiterin des Jungenbüros Nürnberg Melitta Sluka, Schlupfwinkel e.V., und dem Projektinitiator. Durch ansprechende Lesevorbilder und eine jungengerechte Literaturauswahl soll, unter anderem mit Hilfe der Bücherkisten des BLLV, ein weiteres schulisches Abdriften der Jungen verhindert werden. (…)“

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