Interview mit Herrn Dr. Wolfrum

 Jungen finden nicht genug Lesestoff, der sie interessiert

Herr Dr. Wolfrum ist Leiter des Laetitia-Verlages. Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung zum Funkoffizier und ging anschließend auf große Fahrt. Danach schloss er das Studium der Geodäsie an der TU Berlin mit Promotion ab. Sechs Jahre war er Senior Lecturer an der University of Cape Town/Südafrika und ab 1976 Professor für Landesvermessung an der TU Darmstadt. Nachdem er vorzeitig pensioniert wurde, gründete er einen Kinder- und Jugendbuchverlag.

Für MANNdat e.V. sprach Dr. Bruno Köhler mit dem Leiter des Laetitia-Verlages.

 

MANNdat: Sehr geehrter Herr Dr. Wolfrum, was ist das Besondere am Laetitia-Verlag?

Herr Dr. Wolfrum: Wir sehen unser Verlagsprogramm in mehrfacher Hinsicht als Alternative zu der massenhaften Produktion im Kinder- und Jugendbuchbereich. Wir verlegen ausschließlich das realistisch geschriebene Abenteuerbuch, denn Fantasy ist nach unserer Ansicht nicht geeignet, den kindlichen Realitätssinn und damit das logische Denken zu fördern. Die in allen unseren Büchern vorhandene Spannung soll Lesefreude vermitteln. Spannung und Lesefreude, die ohne Abkehr von der Realität auskommt: Eine für den Autor sehr schwer zu bedienende Gattung, die im deutschen Sprachraum so gut wie nicht mehr publiziert wird – die Klassiker natürlich ausgenommen.

Verlegen sie lediglich ältere Bücher neu oder gibt es auch Neuerscheinungen?

Selbstverständlich verlegen wir, wie wohl jeder andere Jugendbuchverlag auch, überwiegend Neuerscheinungen. Aber auch ältere Bücher, wenn wir meinen, dass sie in unser spezielles Programm passen. In unseren Neuerscheinungen legen wir besonderen Wert auf das reale „Heute, Hier und Jetzt“ weil wir, wie schon gesagt, überzeugt sind, dass es für Kinder und Jugendliche besser ist, sich damit zu identifizieren als mit Fantasy oder mit längst vergangenem Mittelalter, zu dem die Autoren natürlich keinen eigenen Bezug haben.

Charakteristisch für den Laetitia-Verlag ist die typische graphische Covergestaltung im Stil früherer Jugend-Abenteuerromane, die bei älteren Lesern, wie mir, sofort die Erinnerungen an die Jugendbuchliteratur der eigenen Jugend wachrufen. Ist diese direkte Verbindung zur früheren Jugendliteratur beabsichtigt?

Bei unserer Buchgestaltung fragen wir nur nach der Qualität der künstlerischen Ausführung. Wenn das zufällig an frühere Zeiten erinnert, spricht das nicht gerade für die heutigen Coverabbildungen. Dazu sei aber gesagt, dass sich auch früher die Buchausstattungen nicht immer auf hohem Niveau befanden.

Werden Ihre Bücher häufiger von Mädchen oder von Jungen gelesen?

Die Tendenz geht eindeutig in Richtung der Jungen, was sich schon allein aus dem Genre des Abenteuerbuches ergibt. Aber auch  manche Mädchen lesen mit Freude unsere Bücher – öfter sogar Erwachsene.

Warum, glauben Sie, lesen Jungen weniger gerne als Mädchen?

Jungen werden durch die elektronischen Medien mehr vom Buch abgebracht als Mädchen. Hinzu kommt, dass sie leider wohl nicht genug Lesestoff finden, der sie interessiert.

Sind Abenteuerbücher geeignet zur Jungenleseförderung?

Unbedingt! Denn das Abenteuer entspricht den natürlichen Neigungen der Jungen zum Bestehen von Gefahr, ihrem Erlebnisdrang, ihrer Neugier.

In den meisten Jugendbuchverlagen gibt es das separate Themenfeld „Mädchenbuch“. Spezielle Jungenbücher sind selten. Geht es den Jugendbuchverlagen zu gut? Oder warum leisten es sich die Jugendbuchverlage, die Hälfte der potentiellen Leser brach liegen zu lassen?

Die Kinder- und Jugendbuchszene wird heute ganz überwiegend (ca. 90%) von Frauen beherrscht. Es beginnt bei den Lektorinnen, es folgen die Rezensentinnen, Vermittlerinnen, Jurorinnen, und endet bei den Buchhändlerinnen. Wenn Jungen die empfohlenen Bücher nicht lesen, wirkt das natürlich auf die Verlage zurück.

Im April ist ja wieder Boys´Day. Das wäre eine Möglichkeit für die Bibliotheken Praktikumsplätze anzubieten und zu versuchen, Jungen etwas mehr für Bücher zu begeistern. Was halten Sie für Jungenleseförderung am wichtigsten?

Das spannende, wirklichkeitsnahe Buch. Gerade der männliche Geist sucht und braucht das logische Denken. Ideal wäre natürlich die Entfernung der Elektronik aus dem Kinderzimmer und damit genügend Zeit zum Lesen.

Welche Tipps können Sie Eltern und Lehrkräften konkret zur Jungenleseförderung geben, außer dem Kauf Ihrer Bücher natürlich?

Wie gesagt, die Jungen brauchen genügend Zeit, vielleicht auch mal den „Leidensdruck“ der Langenweile, und dann das richtige Buch.

Haben Sie ein Lieblingsbuch für Jungen (außerhalb Ihrer eigenen Bücher)? Welches?

„SOS – Hillsend antwortet nicht“ von Ivan Southall.

Sehr geehrter Herr Wolfrum, wir danken Ihnen für dieses Interview.

Mehr über den Laetitia-Verlag können Sie unter http://www.laetitia-verlag.de/ erfahren.